Zur Patho-Physiologie des Gefässendothels

Cover Page


Cite item

Abstract

Das Endothel der Blut-und Lymphgefässe besitzt im frühen fötalen Leben die vollen Entwicklungsmöglichkeiten des übrigen embryonalen Mesenchyms. Im Laufe der Ontogenese wird diese Multipotenz der Ge fässwandzellen indessen immer mehr beschränkt; es folgt hier, wie im übrigen Mesenchym, allmählich eine Differenzierung und Spezialisierung in verschiedenen Richtungen.

Full Text

Das Endothel der Blut-und Lymphgefässe besitzt im frühen fötalen Leben die vollen Entwicklungsmöglichkeiten des übrigen embryonalen Mesenchyms. Im Laufe der Ontogenese wird diese Multipotenz der Ge fässwandzellen indessen immer mehr beschränkt; es folgt hier, wie im übrigen Mesenchym, allmählich eine Differenzierung und Spezialisierung in verschiedenen Richtungen.

Innerhalb der grösseren Gefässbahnen des erwachsenen Säugetie res wird die Aufgabe des Gefässendothels, ensprechend dem Bau und der Funktion dieser Gefässe, wesentlich aut ein Auskleiden des Strombahns beschränkt—auf die Bedeutung dieser Endothelien unter pathologischen Verhältnissen, beispielsweise bei der Thrombose und bei der Aufnahme von Lipoiden und Farbstoffen aus der Blutbahn (Anitschkow) wird hier nicht eingegangen.

Innerhalb der kapillären und postkapillären Gefässbahnen, die ja in mancher Hinsicht eine morphologische und funktionelle Einheit bilden, lassen sich, mit Bezug auf die biologische Dignität des Endothels, zwei grosse Kategorien von Gefässen unterscheiden:

  1. Die Kapillaren der Leber, die sinuösen Bluträume der Milz und des Knochenmarks, die Kapillaren der Nebenniere und Hypophyse, sowie die Lymphsinus der Lymphknoten; die Endothelien dieser Safträume ge hören zu dem sog. makrophagen, histiozytären oder retikulo-endothelia- (an System und können gut als histiozytäre Uferzellen bezeichnet werden.
  2. Die Kapillaren und Postkapillaren des übrigen Körpers, deren Gefässendothelien, wegen ihrer engen Beziehungen zu den Bindegewebs zellen, fibrozytäre Uferzellen genannt werden können.

Diese Einteilung des Gefässendothels der Kleingefässe in zwei bio logische Gruppen gründet sich in erster Linie auf das Verhalten der Ufer zellen bei der Vitalfärbung. Die Sonderstellung der histiozytären Uferzel len tritt schon im Embryonalleben deutlich hervor; bei Einführung von Karminlösung in die Körperhöhle von Kaulquappen oder in den Amnion sack von Rattenembryonen fand Verf. eine gute elektive Vitalfärbung der Kupferzellen der Leber.

Die Bedeutung der Vitalfärbung für die biologische Gliederung des Gefässendothels verschiedener Gefässprovinzen scheint indessen von ge wissen Forschern etwas überschätzt zu sein; jedenfalls ist es nicht erlaubt diese Gliederung mit Hilfe der Vitalfärbung zu weit zu treiben. Dies geht u. a. aus den Versuchen F. Herzogs deutlich hervor. In den Kapilla ren der Froschzunge (also Kapillaren gewöhnlicher, peripherer Gefässge biete) verbinden sich mit der Erweiterung der Gefässe bestimmte Funk tionsänderungen der Uferzellen, vor allem Phagozytose mit Aufnahme und Abtransport des phagozytierten Materials; fibrozytäre Uferzellen kön nen also unter Umständen weitgehende Uebereinstimmung mit histiozy tären Uferzellen zeigen

Im ganzen muss man indessen Maximow zustimmen, der schon 1902 die starke Differenzierung und begrentzte Entwicklungspotenz des gewöhnlichen peripheren Gefässendothels hervorgehoben hat.—Die Vital- färbung von Gewebskulturen zeigt dieselbe deutliche Gliederung des Ge fässendothels in zwei biologische Kategorien (Maximow u. a.). Auch unter pathologischen Umständen kommt eine derartige Glie derung verschiedener kapillärer und postkapillärer Gefässprovinzen nicht selten deutlich zum Vorschein, und zwar vor allem bei gewissen Stoff wechselstörungen und Infektionskrankheiten. Die Endothelien der einen Kategorie (die histiozytären Uferzellen) entwickeln dabei nicht selten eine ₽ lebhafte und vielseitige phagozytäre, produktive und wahrscheinlich an tikörperbildende Tätigkeit, während die Endothelien der anderen Gruppe (die fibrozytären Uferzellen) sich im ganzen mehr passiv verhalten.

Die Reaktionsfähigkeit des gewöhnlichen Gefässendothels unter Ein wirkung verschiedener pathologischer Reize scheint indessen nicht selten unterschätzt gewesen zu sein. Bei allgemeinen Infektionskrankheiten und bei lokaler Entzündung zeigen die Kleingefässe unter Umständen tatsäch lich morphologische Veränderungen, die als Abwehrvorrichtungen zu deu ten sind (gewisse Koli-Typhus-lnfektionen, Sepsis lenta u. s. w.). Die Grenze zwischen den beiden biologischen Kategorien von Uferzellen wird hierdurch gewissermassen weniger scharf als Aschoff, Maximow u. a. annehmen.

Von besonderem Interesse scheint in dieser Hinsicht das Verhalten des Qefässendothels des Qranulationsgcwebes. Die primitive, embryo nale Natur dieses Gewebes spiegelt sich auch im Bau und Reaktion sei ner Gefässe ab. Wie die Stromazellen des Granulationsgewebes grosse Ähnlichkeit mit gereizten, aktiven Fibrozyten und Histiozyten darbieten, so kommen seine Gefässendothelien den histiozytären Uferzellen sehr nahe. Besonders schön tritt die Eigenart dieses jungen Endothels bei ge wissen Formen von spezifischer Entzündung, vor allem Tuberkulose, hervor; die antibakterielle Reaktion resultiert nicht selten in eine ausge sprochene intravaskuläre Tuberkelbildung (Verf.). Bei Vitalfärbung von Granulations'gewebe hat McJunkin eine deutliche Phagozytose im Gefässendothel beobachtet. Das Granulationsgewebe erinnert also in man cher Hinsicht lebhaft an dasjenige aktive Mesenchym, das wir als makrophages oder retikulo-endotheliales System bezeichnen.

Stockholm im Februar 1931.

×

About the authors

Folke Henschen

Karolinischen Instituts

Author for correspondence.
Email: info@eco-vector.com

professor, doctor, pathologischen Abteilung

Sweden, Stockholm

References

Supplementary files

Supplementary Files
Action
1. JATS XML

© 1931 Eco-Vector





This website uses cookies

You consent to our cookies if you continue to use our website.

About Cookies