In memoriam А. Samojloff

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Die Einladung der Redaktion, einen Beitrag zur Gedächtnisnummer für Samojloff zu geben, bestätigt leider die mir auf Umwegen zuge kommene Nachricht von seinem Tode, der mich mit aufrichtigem Schmerz erfüllt. Es ist nicht meines Amtes, die wissenschaftliche Bedeutung des Toten zu würdigen; sicher gehört er zu den Klassikern der Physiologie. Die Schönheit seiner Arbeiten, die Klarheit und Sorgfalt seiner Darstel lung, die Schönheit seiner graphischen Aufnahmen und die vornehme Art seiner Kritik erschienen mir von jeher als anzustrebendes Ziel. Aus sei nen Arbeiten leuchtet uns die reine Freude am wissenschaftlichen Arbei ten entgegen und man gewinnt die Überzeugung, dass es ihm immer um die Sache, nie um den Effekt zu tun war.

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Die Einladung der Redaktion, einen Beitrag zur Gedächtnisnummer für Samojloff zu geben, bestätigt leider die mir auf Umwegen zuge kommene Nachricht von seinem Tode, der mich mit aufrichtigem Schmerz erfüllt. Es ist nicht meines Amtes, die wissenschaftliche Bedeutung des Toten zu würdigen; sicher gehört er zu den Klassikern der Physiologie. Die Schönheit seiner Arbeiten, die Klarheit und Sorgfalt seiner Darstel lung, die Schönheit seiner graphischen Aufnahmen und die vornehme Art seiner Kritik erschienen mir von jeher als anzustrebendes Ziel. Aus sei nen Arbeiten leuchtet uns die reine Freude am wissenschaftlichen Arbei ten entgegen und man gewinnt die Überzeugung, dass es ihm immer um die Sache, nie um den Effekt zu tun war.

Als ich im Jahre 1909 mit dem Saitengalvanometer zu arbeiten anfing, schrieb ich mehrmals an Samojloff um Rat. Persönlich lernte ich ihn im folgenden Jahre kennen, als er den Physiologenkongress in Wien besuchte. Er äusserte den Wunsch, mich bei der Arbeit zu sehen und kam mit Max Cremer zu einem Versuch, den ich ad hoc mit Winterberg ausführte. Natürlich waren wir in nicht geringer Aufre gung und allerlei Ungemach lauerte auf uns. Zwar ging die Operation gut vonstatten und trug mir die anerkennenden Worte Samojloff’s ein: «Ich sehe, Sie sind ein grosser Vivisektor»; aber als ich das Tier mit dem Galvanometer verbunden hatte, wollte sich die Saite nicht rüh ren. Alles Suchen nach dem Fehler war vergebens, immer grösser wur den bei mir Unruhe und Zorn, dass dies gerade jetzt passiren müsse und als gar ein grosses Flaschenelement vom Tisch gestossen wurde und die frische Säure sich über Samojloff’s schöne Hose ergoss, erreichte meine Verzweiflung den Höhepunkt. Er aber nahm dies Missgeschick mit Humor auf und meinte, es gehe jedem so; man müsse jahrelang Übung haben, um die Methode zu beherrschen. Kaum waren Samoj loff und Cremer fort, als ich den tückischen Kontakt gefunden hatte.

Von nun an blieb ich mit Samojloff immer in Verbindung und wir tauschten unsere Separatabdrücke aus. Schon im Jahre 1912 erhielt ich aber eines Tages eine Sendung mit dem Postvermerk zurück, dass Adressat gestorben sei. Ich war darüber ganz bestürzt, denn ich hatte Samojloff in Wien sehr Heb gewonnen. Bald aber erhielt ich wieder Separata von ihm und als ich ihm meine Freude ausdrückte, schrieb er mir folgenden Brief:

«Sehr geehrter und lieber Herr Kollege’. De mortuis aut bene aut nihil.

Als ich Ihren Brief durchgelesen hatte, glaubte ich meinen eigenen Nekrolog gelesen zu haben; es ist ein ganz eigentümliches Gefühl. Nun, ich bin noch unter den Lebenden auf unserem merkwürdigen Erdball und kann mich bestens für die Ausdrücke der Sympathie mir, als dem gestor ben gedachten, bedanken. Eins werden Sie zugeben müssen: Unsere Post ist zwar nicht so weit vorgerückt, dass sie eine einfache Postkarte rich tig zustellt; an Witzigkeit fehlt es ihr aber nicht--man erklärt den Ad ressat für tot und kümmert sich nicht mehr um die Sache.

Die Arbeit mit den «Lebenszeichen» habe ich ein paar Tage vor ihrem Brief abgeschickt. Als Belohnung dafür, dass ich nicht gestorben bin, bitte ich mir die zwei fatalen Separatabdrücke aus.

Mit herzlichen Grüssen Ihr A. Samojloff».

Nun aber muss man sich leider an den Gedanken gewöhnen, dass dieser hervorragende Forscher und Mensch für immer von uns gegangen ist. Wenn ich infolge der räumlichen Trennung nur sehr wenig Gelegen heit hatte, mit Samojloff zusammenzukommen, so habe ich doch von seiner Persönlichkeit einen tiefen und dauernden Eindruck empfangen. Bei aller Bedeutung in wissenschaftlicher Hinsicht war er einfach, be scheiden und voll Humor und gerade das reiht ihn unter die Grossen ein, während seine Güte ihn liebenswert machte. Diesbezüglich war er Einthoven ähnlich, den er kannte und verehrte. Vor einem halben Jahre hat er ihm einen schönen Nachruf im Amer. Heart Journal ge schrieben.

Ich sah Samojloff bei den Physiologenkongressen in Stockholm (1926) und in Boston (1929) wieder und trug äusser dem Genuss auch reichliche Belehrung heim. Bei beiden Gelegenheiten waren wir viel bei sammen und sprachen über alles Mögliche, vor allem natürlich über die wissenschaftlichen Fragen die uns beide interessirten.

Der letzte Brief, den ich erhielt, stammt von 4.12.29. Erschrieb:, «Es freut mich, dass Sie unser Plaudern in Amerika in Ihrer Erinnerung gut aufnehmen. Ich habe den ausgesprochenen Wunsch, einmal nach Wien zu kommen und unser Plaudern fortzusetzen. Wundern Sie sich nur nicht, wenn ich in Wien erscheine».

Ich habe leider vergeblich darauf gewartet. Als in Pflüger’s Ar chiv eine Arbeit erschien, wo seinem Namen ein Kreuz beigesetzt war, wollte ich nicht daran glauben, dass dies seinen Tod bedeute—nun aber giebt es leider keinen Zweifel mehr.

Ich habe immer in Bewunderung zu diesem grossen, edlen und gü tigen Menschen aufgeschaut und werde es immer tun. Sein ernstes güti ges Bild blickt auf meinen Schreibtisch herab und ich bin stolz auf die von seiner Hand stammende Widmung «in wahrer Verehrung und Freund schaft». (XIII. 1929). Nichts liegt am Urteil der Menge; aber von solchen Männern geschätzt zu werden, ist der schönste Lohn.

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C. J. Rothberger

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Austria, Wien

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